Eins steht fest: Diversität im Unternehmen aufzubauen hat nur Vorteile.
- So sind diverse Teams mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 36% überdurchschnittlich profitabel (McKinsey, 2015).
- Divers aufgestellte Unternehmen sind attraktivere Arbeitsstätten und werden von Bewerber:innen bevorzugt (Daugherty & Chowdhury, 2019).
- Hinzu kommt, dass es 78% der Mitarbeiter:innen sogar wichtiger ist in einem diversen Umfeld tätig zu sein, als ein höheres Gehalt zu bekommen (Stepstone, 2020).
Durch mehr Diversität verbessert sich also die Beziehung zu den Beschäftigten bedeutend. Retention (Mitarbeiter:innenbindung), Motivation und Loyalität werden dabei gesteigert, während Fluktuation (Stellenwechsel) aktiv entgegengewirkt wird (Chamberlain, 2016).
Im Recruiting wird Unternehmenserfolg bestimmt
Das Recruiting (HR) ist die Schlüsselstelle für den Aufbau von mehr Diversität im Unternehmen. Damit wird hier der Grundstein für nachhaltigen Unternehmenserfolg gelegt.
Effektive Personalauswahl bedeutet also, die passenden Kandidat:innen zu identifizieren basierend auf den Faktoren, die wirklich zu Arbeitszufriedenheit und -erfolg führen (Kersting & Ott, 2016). Dabei sollten irrelevante Merkmale, wie Alter, Geschlecht und soziale oder ethnische Herkunft, außen vor gelassen werden. Nur so entstehen erfolgreiche Teams, die die Gesellschaft abbilden, für die sie wirtschaften und das wirkt sich auf verschiedene Facetten des Unternehmenserfolgs aus, wie Produktperformance, Kund:innenloyalität, Reputation etc.
Ein Hindernis auf diesem Weg ist der sogenannte Unconscious Bias, zu Deutsch: Unbewusste Voreingenommenheit.
Definition: Unconscious Bias
„Die unbewusste kognitive Verzerrungen und andere fehlerhafte Neigungen bei der Wahrnehmung, Erinnerung und Beurteilung.“ (Wondrak, 2014)
Sie schlummern im Unterbewusstsein von uns allen, denn sie sind einfach die Lösung unseres Gehirns für unseren komplexe Alltag (Tolstoi-Miller, 2017). Im HR besonders bekannt, als das Bauchgefühl, auf das man sich nur zu gerne verlässt. Dieses orientiert sich an bereits bekannten Informationen und hält fälschlicherweise einfach den Ist-Zustand für besonders bequem und wünschenswert. Diese Vorgehensweise funktioniert in der heutigen Arbeitswelt, in der agile Unternehmen ständig vor neuen Herausforderungen stehen und sich schnell Veränderungen anpassen müssen, schlichtweg nicht mehr (Wondrak, 2014).
Erfolgreiche HR-Verantwortliche nehmen ihr Bauchgefühl also nicht einfach unreflektiert hin, sondern beschäftigen sich aktiv mit kognitiven Verzerrungen, die ihre beeinflussen können. Kurz: Sie machen sich das Unbewusste bewusst und das ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Denn Bewusstsein und Reflektion sind die wichtigsten Mechanismen, die in unseren eigenen Händen liegen. Muster zu kennen, bedeutet sie entlarven zu können und deshalb haben wir im Folgenden die 10 häufigsten Typen des Unconscious Bias im Recruiting aufgeschlüsselt.
Checkliste der 10 häufigsten Unconscious Biases im Recruiting
Irren ist menschlich – Die Grenzen des menschlichen Urteilsvermögens führen zu kognitiven Verzerrungen, die sich in ihren Mustern häufig wiederholen. Besonders im Recruiting-Prozess kommen diese vermehrt vor und führen im schlimmsten Fall zu teuren Fehleinstellungen. Um das zu vermeiden, haben wir hier die 10 relevantesten Unconscious Bias Typen aufgeschlüsselt.
1. Primacy Effect
Die kognitive Verzerrung beginnt schon beim ersten Eindruck. Dieser kann positiv oder negativ ausfallen, in jedem Fall hat er eine starken Einfluss auf die Gesamtbeurteilung. Eine Meinung ist gebildet, die nur schwer geändert werden kann. Selbst konträre Informationen schaffen es oft nicht das Bild über die Kandidat:innen zu verändern (Voß, 2014). Der sogenannte „Primacy Effect“ besagt also, dass man sich stärker an vorher eingehende Informationen erinnert, als an die darauffolgenden. Daher ist der gewonnene Ersteindruck nur schwer umzustoßen (Brueggen et al., 2016).
2. Halo & Horns Effect
Dieser Bias beruht auf der Tendenz von einem Aspekt guter oder schlechter Leistung auf die Gesamtleistung zu schließen. Der gewonnene Eindruck über eine Person beeinflusst dann wie man ihren gesamten Charakter einschätzt (Agarwal, 2018). Hier ist also der Name Programm. Ein gesondertes Merkmal einer Person beeinflusst die gesamte Wahrnehmung ihrer Persönlichkeit. Je nachdem, wie diese Eigenschaft subjektiv eingeschätzt wird, überstrahlt oder überschattet diese dann den gewonnen Gesamteindruck. Das bedeutet, man lässt bildlich gesprochen einen Heiligenschein oder Teufelshörner über dem Kopf der Person schweben und bildet sich dadurch ein vorschnelles Urteil (Voß, 2014).
3. Affinity Bias
Ähnlich wie bei dem Halo-Effect, wird von einer als positiv empfundenen Eigenschaft auf den Gesamteindruck einer Person geschlossen. Der Maßstab hier ist die Ähnlichkeit zu einem selbst, weshalb auch vom „Mini-Me Effect“ gesprochen wird (Voß, 2014). Personen, die einem selbst ähnlich sind, erscheinen automatisch sympathischer und man tendiert dazu ihnen positive Eigenschaften zuzuschreiben (Agarwal, 2018). Dieser Mechanismus basiert darauf, dass die Illusion entsteht, man kenne sich bereits gut und könne das Gegenüber daher gut einschätzen. Man fühlt sich also eher zu Menschen hingezogen, die beispielsweise gleich alt sind, die selbe Nationalität, einen ähnlichen Werdegang oder die selbe sexuelle Identität haben (Sans, 2020).
4. Status Quo Bias
Dieser Bias beeinflusst besonders Auswahlentscheidungen, die vermeintlich aus dem Rahmen fallen. Es ist die Neigung den aktuellen Stand der Dinge jeglicher Veränderung vorzuziehen. Diese basiert auf dem Phänomen, dass der Status Quo als gut und wünschenswert empfunden wird – einfach nur, weil er bereits existiert (Eidelman & Crandall, 2012). Es entsteht das berühmte Bauchgefühl und die Kraft der Gewohnheit behindert den Willen durch Veränderungen bessere Konditionen für alle zu erschaffen (Zeckhauser & Samuelson, 1988). Unbewusst entscheidet man sich also für Kandidat:innen, die der aktuellen Belegschaft ähnlich sind und das in meist in für die Performanz irrelevanten Kriterien, wie Hautfarbe oder Geschlecht (Johnson et al., 2016).
5. Stereotypes bzw. Gender oder Racial Bias
Der Klassiker: Unbewusste Vorurteile beeinflussen die Haltung Menschen gegenüber, die einer oder mehreren marginalisierten Gruppe(n) angehören. Wie stark deren Einfluss ist, ist davon abhängig wie tief die Stereotype im individuellen Umfeld verankert sind (Birkelund et al., 2020). So sind HR-Verantwortliche, die eine Stelle in einer männerdominierten Branche besetzen möchten, weiblichen Kandidatinnen gegenüber tendenziell skeptischer eingestellt. Tatsächlich fallen ihnen diese schlichtweg nicht ein, wenn sie an die passende Besetzung denken (Madsen & Andrade, 2018). Genauso verhält es sich auch mit der Einstellung People of Colour, also als nicht weiß wahrgenommenen Menschen, gegenüber. Diese werden zum Beispiel eher als weniger qualifiziert oder ineffizienter wahrgenommen (Bendick & Nunes, 2011). Der Einfluss solcher Stereotype wurde in einigen Studien bestätigt, in denen zum Beispiel bei gleichbleibenden Lebensläufen Name und Foto geändert wurden, was eine veränderte Bewertung zur Folge hatte (González et al., 2019).
6. Confirmation Bias
Bei diesem Bias tendiert man dazu Informationen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, die bereits vorhandene Überzeugungen bestätigen. Dabei werden Merkmale stärker wahrgenommen, die zu der bestehenden Meinung passen. Man sucht sogar unbewusst danach (Sans, 2020). Das bedeutet also, dass vorgefertigte Einstellungen zu einem gewissen Bildungsweg, einer Nationalität oder einer Religionszugehörigkeit die Beurteilung einer Person insofern beeinflussen, dass unbewusst diejenigen Informationen besonders aufgenommen und gespeichert werden, die diese bestätigen (Agarwal, 2018).
7. Conformity Bias
Dieser Bias ist auf das Phänomen des Gruppendrucks zuzuordnen oder einfach dem Bedürfnis von seinem Umfeld für getroffene Entscheidungen gelobt zu werden und dessen Erwartungen zu erfüllen. Diese erwünschten Entscheidungen basieren auf der Einstellung und dem Verhalten des direkten Umfelds, wie zum Beispiel den Kolleg:innen die in den Auswahlprozess involviert sind (Sans, 2020). Trägt man die Verantwortung, so tendiert man dazu deren Zuspruch anzustreben und die eigene , vielleicht gegenteilige, Meinung zu unterdrücken. Das führt dazu, dass Entscheidungen, die vermeintlich aus dem Rahmen fallen, unmöglich werden, genauso wie die Veränderung der eigenen Einstellung einer Person gegenüber (Padalia, 2014).
8. Illusory Correlation
In diesem Fall wird angenommen, dass ein festgestellter Faktor mit einem anderen zusammenhängen muss. Es wird also ein illusorischer Zusammenhang zwischen einer Eigenschaft und einer Kompetenz hergestellt. Basierend auf dieser Annahme erfolgt dann eine Beurteilung der Eignung für die jeweilige offene Stelle (Platts, 2020). Tatsächlich erscheint ein solches Vorgehen vermeintlich als rational und fundiert. Dabei ist es das komplette Gegenteil und eine Folge von unbewussten fehlerhaften Zusammenhängen in den Gedankengängen. So tendiert man dazu seltene Charakteristika Minderheiten zuzuordnen und häufiger vorkommende Eigenschaften Mehrheiten (Costello & Watts, 2019).
9. Contrast Bias
Ein Phänomen, das vor allem an Tagen voller Bewerbungsgespräche oder Lebenslauf-Checks auftritt. Die Leistung einer Person wird auf Basis der Leistung der vorhergehenden oder nachfolgenden Person beurteilt. Dabei sind die Beurteilungskriterien nicht mehr objektiv, sondern durch den Eindruck von Vorgänger:in oder Nachgänger:in beeinflusst (Voß, 2014). Das bedeutet, dass die Chancen besser stehen, wenn die jeweils andere Person eine negative Leistung erbracht hat und umgekehrt. Je stärker der Kontrast zwischen dem Eindruck einer Person und dem seiner Vor- oder Nachgänger:innen, desto stärker wird der Kontrast gewertet. Folglich wird der Maßstab ständig unbewusst angepasst. Es entsteht die Gefahr, dass wirklich passende Kandidat:innen nicht erkannt werden, während weniger passende durch die entstandene Lücke gelangen (Platts, 2020).
10. Overconfidence Bias
Wie der Name schon sagt, geht es hier um die unbewusste Überschätzung der eigenen Fähigkeiten. Das kann schon im kleinen Ausmaß bedeutende Konsequenzen haben. Denn man weiß bekanntlich nicht, was man nicht weiß, und das führt dazu, dass Entscheidungen ohne hinreichende Informationen getroffen werden. Schließlich glaubt man, man bereits wisse alles Nötige, um eine erfolgreiche Entscheidung zu treffen. Diese Form der unbewussten Selbstüberschätzung bezeichnet man auch als den Dunning-Kruger-Effekt (Dunning, 2011). In der Personalauswahl führt diese kognitive Verzerrung dazu, dass HR-Verantwortliche beispielsweise so überzeugt von ihrer Erfahrung sind, dass sie nur anhand weniger, teilweise irrelevanter, Kriterien meinen die richtige Auswahlentscheidung treffen zu können. Sie verlassen sich auf ihre Instinkte, das berühmte Bauchgefühl. Das hat zur Folge, dass nicht die Person ausgewählt wird, die am meisten Potenzial mitbringt und kann sogar zu teuren Fehleinstellungen führen (Platts, 2020).
Eignungsdiagnostik = Überwindung des Unconscious Bias im Recruiting
Sich der verschiedenen Unconscious Biases, die uns alle betreffen, bewusst zu sein ist der erste Schritt zu deren Überwindung. Dies erfordert konstante Reflektion und aktive Veränderung der eigenen Verhaltens- und Denkmuster. Das ist selbstverständlich nicht immer einfach und bleibt auch weiterhin fehleranfällig. Deshalb darf man sich von intelligenten Algorithmen und digitalen Tools unterstützen lassen.
Im Recruiting verlässt man sich deshalb auf psychologische Eignungsdiagnostik. Hier werden durch objektive Kriterien die individuellen Stärken und Potenziale der Bewerber:innen in den Fokus gestellt. Dies ermöglicht moderne Eignungsdiagnostik, indem sie Informationen zielorientiert und stärkenbasiert sammelt. So wird einer stereotypen Beurteilung entgegengewirkt und es kommen Auswahlkriterien zum Einsatz, die wirklich zu Arbeitserfolg und -zufriedenheit führen. Dadurch wird der Rekrutierungserfolg deutlich gesteigert und es entsteht gleichzeitig eine attraktive Employer Brand (Kersting & Ott, 2016). In Form von Game-based Assessments sorgt psychologische Eignungsdiagnostik dabei auch für eine ansprechende Candidate Experience und generiert dadurch sogar validere Daten für eine fundierte Auswahlentscheidung.
So entsteht ein strukturierter Auswahlprozess, in dem Kandidat:innen fair und objektiv bewertet werden. Denn die generierten Informationen sind konsistent und direkt untereinander vergleichbar. Dabei sind sie anonym und dadurch losgelöst von irrelevanten Merkmalen, welche oft objektive Vergleiche verhindern. Für eine individuelle Stelle durchlaufen alle Kandidat:innen exakt dieselben Verfahren, womit deren Ergebnisse übereinander gelegt werden können und Unconscious Biases vermieden werden.
Fazit
Unconscious Biases schlummern in den Köpfen von uns allen. Im Recruiting sind sie ein Hindernis auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit und Diversity. Die kognitiven Verzerrungen benennen und identifizieren zu können ist ein wichtiger Schritt, um diese zu überwinden.
Wo das menschliche Urteilsvermögen an seine Grenzen stößt, bedienen sich erfolgreiche HR-Verantwortliche moderner Eignungsdiagnostik. So erhalten sie objektive und vergleichbare Informationen über potenziellen Teamzuwachs. Die Candidate Experience wird stärker und damit die Employer Brand attraktiver. Und das Beste: Es werden diejenigen Personen eingestellt, die wirklich erfolgreich und zufrieden an der jeweiligen Stelle werden. So geht Recruiting heute, wir beraten euch dazu gerne.